Hinweise zum Unterricht mit Gebärdensprachdolmetscher*innen

→ Hinweise für Lehrpersonen

Im SGB IX von 2001 und im Behindertengleichstellungsgesetz von 2002 wird die Deutsche Gebärdensprache (DGS) in Deutschland erstmal offiziell als eigenständige Sprache anerkannt und mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention besteht seit 2009 ein Anrecht auf eine gebärdensprachliche Förderung, sowohl in der allgemeinen Schule als auch in Schulen für den Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation. Im Rahmen der Inklusion hat sich mittlerweile etabliert, dass dieses Recht für gehörlose und gebärdensprachliche Kinder durch die Begleitung von Gebärdensprachdolmetscher*innen abgesichert werden kann. Dies betrifft nur eine, aber stetig wachsende Minderheit von SuS – 2014 waren dies bereits 35 Kinder und Jugendliche bundesweit (Bayerischer Rundfunk 2014). Die Finanzierung hierfür müssen die Eltern beim jeweils zuständigen Sozialamt bzw. der Eingliederungshilfe beantragen. Mittlerweile werden in einzelnen Bundesländern auch Gebärdensprachdolmetscher*innen in Schulen für den Förderschwerpunkt Hören eingesetzt, wenn keine gebärdensprachkompetenten Hörbehindertenpädagog*innen für diese Klassen zur Verfügung stehen. Diese werden dann in der Regel vom Kultusministerium oder dem Schulträger beauftragt.

Gebärdensprachdolmetscher*innen haben die Aufgabe, zwischen allen Beteiligten sowohl korrekt und angemessen als auch kultursensibel und adressatengerecht in Deutscher Laut-, Schrift- und Gebärdensprache zu übersetzen. Hierbei haben sie Anforderungen der vom Bundesverband der Gebärdensprachdolmetscher*innen Deutschlands e.V. herausgegebenen Berufs- und Ehrenordnung (BGSD 2018), zu erfüllen, wie z. B. Gleichbehandlung und Respekt, Allparteilichkeit, Verschwiegenheit und Kollegialität. Im Kontext von Schule bedeutet dies, dass sie die lautsprachlichen Äußerungen der hörenden Lehrkräfte und Schüler*innen für die gehörlose und gebärdensprachliche Schüler*in übersetzten und andersherum deren gebärdensprachliche Äußerungen für die Lehrkräfte und den Rest der Klasse. Allerdings gibt im schulischen Kontext und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen andere Herausforderungen und Aufgaben, als dies bei der Verdolmetschung von Erwachsenen der Fall ist (Marschark et al. 2005; Becker & Meinhardt 2013). So müssen sich die Gebärdensprachdolmetscher*innen dabei als Erwachsene automatisch auch zu pädagogischen Fragen verhalten und sind auch häufig die einzigen, denen didaktische Probleme auffallen können, die für ein gehörloses Kind entstehen, wenn der Unterricht der allgemeinen Schule gar nicht an dessen Bedürfnisse angepasst ist (z. B. bei Klassenraumkommunikation, dem Schriftspracherwerb, dem Musikunterricht, dem Fremdsprachenunterricht etc.). Da die meisten Gebärdensprachdolmetscher*innen keine pädagogisch-didaktische Ausbildung haben, fehlt ihnen dann ggf. das notwendige Fachwissen, um diesen immanenten Rollenkonflikt aufzulösen. Die entsprechenden Empfehlungen von Voss & Kestner (2012) für die Gebärdensprachdolmetscher*innen an allgemeinen Schulen stellen einen ersten Versuch dar, den Kolleg*innen mehr Handlungskompetenzen an die Hand zu geben, können aber nicht als eine definitive Leitlinie angesehen werden und sind insbesondere nicht auf dem aktuellen fachlichen Stand der Hörgeschädigtenpädagogik formuliert.

Für die Arbeit von Gebärdensprachdolmetscher*innen an allgemeinen Schulen heißt dies, dass es eine permanete und klare Absprache mit den jeweiligen Kolleg*innen der allgemeinen Schule geben muss, in der die Verantwortungen für die Bedürfnisse des gehörlosen Kindes und seiner hörenden Klassenkamerad*innen geklärt werden müssen, die über die reine Verdolmetschung hinausgehen. Außerdem wäre es hilfreich, eine Hörbehindertenpädagog*in für die fachliche Beratung hinzuziehen, etwa im Rahmen des sonderpädagogischen Dienstes. Die jeweiligen Lösungen in dem Team können dann auch je nach Situation des Kindes oder Jugendlichen und der Teamkonstellation unterschiedlich ausfallen.

 

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