Prinzipien und Maßnahmen

Im Unterricht lässt sich immer wieder feststellen, dass nicht alle Schüler*innen gleichermaßen kognitiv aktiviert sind. Dies könnte daran liegen, dass es die Struktur des Unterrichts einigen Schüler*innen aufgrund ihrer individuellen Lernvoraussetzungen nicht ermöglicht oder es von ihnen auch nicht eingefordert wird, am eigentlichen Denkprozess aktiv teilzunehmen (2019).

Im Folgenden werden daher die Prinzipien

  • Herstellen eines Lebensweltbezugs
  • Darbieten verschiedener Ebenen der Aneignung
  • Ermöglichen Kooperativen Lernens
  • Schaffen von Feedback-Situationen
  • Differenzieren und Individualisieren

genauer in den Blick genommen, da eine kognitive Aktivierung aller Schüler*innen über diese im Unterricht ermöglicht werden kann.

 

Herstellen eines Lebensweltbezugs

Über ein klares Herausstellen des Lebensweltbezuges kann ein hohes Maß an Motivation und somit an kognitiver Aktivierung auf Seiten der Schüler*innen erreicht werden. Grundvoraussetzung für die Gestaltung lebensweltbezogener individueller Bildungsangebote ist das Wissen der Lehrkraft um die Interessen und die Erfahrungen, die eine Schüler*in mit einem bestimmten Lerngegenstand bereits gemacht hat.

Hierfür ist es unerlässlich, die Interessen und Erfahrungen der Schüler*innen zu erforschen. In Abhängigkeit vom Lerngegenstand bieten sich dafür verschiedene Zugänge, z. B. das Erheben von Präkonzepten sowie das Sammeln von Schüler*innenfragen zu einem bestimmten Thema:

 

Darbieten verschiedener Ebenen der Aneignung

Die verschiedenen Ebenen der Aneignung beschreiben die Art und Weise, in der sich die Schüler*innen mit einem Bildungsinhalt auseinandersetzen und sich diesen zu eigen machen.

Hierbei lassen sich folgende vier Aneignungsebenen unterschieden, die jeweils in unterschiedlichen Aneignungsformen zum Ausdruck kommen (siehe Abbildung).

Nur durch die Berücksichtigung der verschiedenen Aneignungsebenen und – formen und deren passgenaue Verknüpfung bei der Ausgestaltung von Bildungsangeboten lässt sich auf Schüler*innenseite ein hohes Maß an kognitiver Aktivierung erreichen.

Die basal-perzeptive Aneignungsebene beschreibt, dass Menschen die Welt (einschließlich des eigenen Körpers) und deren Form, Beschaffenheit und Gestalt erleben, erkunden, kennen lernen und sich zu eigen machen, indem sie fühlen, schmecken, sehen, riechen, hören und spüren. Dies ist eine grundlegende, also basale Möglichkeit der aktiven Aneignung, über die jeder Mensch – zumindest in unterschiedlich ausgeprägtem Maße – verfügt.

Die enaktive (konkret-gegenständliche) Aneignungsebene beschreibt die Auseinandersetzung mit der Welt mittels äußerlich erkennbarer Aktivitäten im Umgang mit Dingen und Personen. Dazu gehört die Entdeckung von vielfältigen in der Welt und unserer Kultur vorhandenen Wirkungen und Effekten, die Wiederholung der entsprechenden Aktivitäten und das forschende Erkunden von Gegenständen, Pflanzen, Tieren und Menschen.

Die ikonische (anschauliche) Aneignungsebene beschreibt, dass Menschen sich von der Welt, von Ereignissen, Personen, Gegenständen und Zusammenhängen und vom eigenen Handeln ein Bild machen und dass sie anschauliche Darstellungen, Modelle oder Ähnliches nutzen und verstehen.

Die symbolische (abstrakt-begriffliche) Aneignungsebene beschreibt, dass Objekte, Informationen und Zusammenhänge nicht nur konkret, anschaulich und bildlich, sondern auch von der Anschauung abstrahiert und begrifflich (mit Hilfe von Symbolen und Zeichen) wahrgenommen, erkundet, erfasst, benannt und verstanden werden. Eine Auseinandersetzung mit Inhalten erfolgt hier ohne konkrete Anschauung, Erkenntnisse werden auf gedanklichem Wege gewonnen.

 

Ermöglichen Kooperativen Lernens

Das Kooperative Lernen zielt sowohl auf die kognitive Aktivierung aller Schüler*innen entsprechend ihrer individuellen Lernvoraussetzungen als auch auf den kommunikativen Austausch der Schüler*innen untereinander ab. Im Rahmen der Hattie-Studie konnte bezüglich der Wirksamkeit des Kooperativen Lernens eine hohe Effektstärke nachgewiesen werden (Kremers 2014).

Der Dreischritt des Kooperativen Lernens (Denken-Austauschen-Vorstellen oder Think-Pair-Share) (Brüning & Saum 2009) stellt die Basis Kooperativen Lernens dar:

  • Im ersten Schritt setzen sich alle Schüler*innen zunächst individuell mit einer Aufgabe auseinander. So bekommen sie ausreichend Zeit, ihr Vorwissen bzw. ihre Vorerfahrungen zu einer bestimmten Frage- oder Problemstellung, einem Text etc. zu aktivieren. Dabei ist jede*r gefordert, sich der Aufgabe zu stellen und kann nicht, wie z. B. in einem Unterrichtsgespräch, davon ausgehen, dass nur diejenigen aufgerufen werden, die sich melden. Dies fördert die individuelle Verantwortung für das Lernergebnis.
  • Im zweiten Schritt folgt nun ein Austausch mit einer Partner*in oder in einer Kleingruppe. Dabei tauschen die Schüler*innen ihre individuellen Wissenskonstruktionen aus. Wer noch Informationen benötigt, wird den anderen aufmerksam zuhören und ggf. Fragen stellen, wenn etwas unklar ist. Die anderen hingegen müssen sorgfältig und verständlich berichten, darlegen und informieren.
  • Im dritten Schritt werden die Ergebnisse der Austauschphase in der Klasse vorgestellt, geprüft und diskutiert.

Im Kern geht es also beim Kooperativen Lernen um einen strukturierten Wechsel der Sozialformen mit dem Ziel, die kognitive Aktivierung der gesamten Klasse „hoch zu halten“.

 

Schaffen von Feedback-Situationen

Die Hattie-Studie weist auf die herausragende Bedeutung des Feedbacks für das Lernen hin. Damit Feedback die Schüler*innen kognitiv aktivieren kann, darf es nicht alles vorwegnehmen, sondern sollte die Lernenden eher dazu anregen, selbst weiter nachzudenken und Lösungen zu finden.

Schüler*innen üben im Feedback, indem sie üben

  • sich dem Feedback der Mitschüler*innen zu stellen und dieses als gewinnbringend anzunehmen
  • die Meinung anderer stehen lassen zu können
  • die Beiträge anderer wertzuschätzen
  • eigene Bedürfnisse, Empfindungen und Meinungen als Feedback-Geber*in auszudrücken und dabei gleichzeitig Bedürfnisse, Empfindungen und Meinungen der Feedback-Nehmer*in im Blick zu haben
  • der Arbeitspartner*in nach einer kooperativen Phase selbst wertschätzendes Feedback zu geben bzw. rückzumelden, was sie beim nächsten Mal dazu beitragen kann, dass die gemeinsame Arbeit (noch) besser gelingt

 

Darüber hinaus bieten Feedback-Situationen vielfältige Möglichkeiten, dass Schüler*innen ihre Kompetenzen in den Bereichen Sprache und Sprechen/Gebärden, Hören und Verstehen kontinuierlich erweitern können. Dies geschieht in einem Handlungskontext, in dem Miteinander-Sprechen (oder Miteinander-Gebärden) und Einander-Zuhören bzw. Verstehen geradezu zu einem Bedürfnis werden kann.

Das in Aussicht stellen einer Feedbackrunde zu in der Klasse erarbeiteten Kriterien beispielsweise im Anschluss an eine Präsentation der Schüler*innen sorgt so dafür, dass nicht ausschließlich die präsentierenden Schülerinnen und Schüler kognitiv und sprachlich aktiviert werden, sondern dass auch den Zuhörerinnen und Zuhörern eine aktive Rolle zukommt.

 

Differenzieren und Individualisieren

Da jede scheinbar homogenisierte Gruppe sich in kurzer Zeit erneut differenziert (vgl. Klippert 2010), sind Differenzierung und Individualisierung in jeder Lerngruppe notwendig, um eine möglichst hohe kognitive Aktivierung jeder einzelnen Schüler*in zu gewährleisten.

Individualisierung nimmt die Lernvoraussetzungen einzelner Schüler*innen als Ausgangspunkt und stellt daran anknüpfend möglichst passgenaue individuelle Bildungsangebote zur Verfügung (Bohl 2014).

Differenzierung zielt nicht zwangsläufig auf das Individuum mit seinen jeweils individuellen Lernvoraussetzungen, sondern bezieht sich auf eine merkmalsbezogene Gruppierung in der Lerngruppe.

Sowohl bei der Differenzierung als auch bei der Individualisierung unterscheidet man zwischen quantitativen und qualitativen Maßnahmen.

 

In der folgenden Übersicht finden Sie Maßnahmen, die zur Umsetzung der oben aufgeführten Prinzipien zur kognitiven Aktivierung beitragen können:

Zurück