Guten Unterricht für Schüler*innen mit Taubblindheit/ Hörsehbehinderung gestalten

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1. Wer sind Schüler*innen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung (TB/HS)?

Schüler*innen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung (TB/HS) bilden eine heterogene Gruppe mit vielfältigen Bedarfen. Zwei Perspektiven helfen, die Zielgruppe im schulischen Kontext besser zu verstehen:

 

1.1 Angeborene vs. erworbene TB/HS:

  • Angeborene TB/HS führt zu einem körperlich-taktilen Weltzugang. Kinder bauen mentale Vorstellungen primär über diesen Zugang auf. Sie haben oft weitere Beeinträchtigungen (z. B. motorisch, kognitiv), was schulische Teilhabe zusätzlich erschwert.
  • Erworbene TB/HS umfasst drei Untergruppen:
    • Gebärdensprachlich oder lautsprachlich sozialisierte Kinder mit einer im Verlauf der Zeit erworbenen Sehbehinderung
    • Kinder mit Blindheit/Sehbehinderung mit später erworbener Hörbeeinträchtigung
    • Kinder mit später erworbener Hör- und Sehbehinderung (z. B. durch Erkrankung, Unfall)

1.2 Funktionale Sinneswahrnehmung: Zusätzlich ist es hilfreich, nach dem funktionalen Seh- und Hörvermögen zu differenzieren:

  1. Vollständige Taubblindheit
  2. Gehörlosigkeit & funktionales Sehvermögen
  3. Blindheit & funktionales Hörvermögen
  4. Kombinierte Hörsehbehinderung

Beide Perspektiven helfen Lehrkräften, sich ein Bild davon zu machen, welche Wahrnehmungskanäle, aber auch welche mentalen Vorstellungen von Welt (Weltverständnis, Begriffsbildung) für schulisches Lernen genutzt werden können.

Abbildung 1: Differenzierung des Personenkreises TB/HS (Quelle: eigene Darstellung)

 

 

2. Schulische Realitäten

Schüler*innen mit TB/HS besuchen sowohl allgemeine Schulen als auch sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten (z. B. Sehen, Hören, geistige oder körperlich-motorische Entwicklung). Viele sind nicht als taubblind erkannt. Fachleute fordern, diese Kinder zunächst als doppelt sinnesbehindert zu sehen, bis das Gegenteil festgestellt wird, da nur so ein umfassendes Assessment im Sehen und Hören für jeden Schüler und jede Schülerin gewährleistet werden kann.

 

 

3. Schulische Realitäten

Schüler*innen mit TB/HS besuchen sowohl allgemeine Schulen als auch sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten (z. B. Sehen, Hören, geistige oder körperlich-motorische Entwicklung). Viele sind nicht als taubblind erkannt. Fachleute fordern, diese Kinder zunächst als doppelt sinnesbehindert zu sehen, bis das Gegenteil festgestellt wird, da nur so ein umfassendes Assessment im Sehen und Hören für jeden Schüler und jede Schülerin gewährleistet werden kann.

 

3.1 Zeitbedarf und Zugangswege: Schüler*innen mit TB/HS benötigen mehr Zeit für Bildungsprozesse, da:

  • ihnen viele Informationen durch fehlende Sinneseindrücke entgehen
  • sie Inhalte körperlich-taktil und sequentiell erkunden
  • durch den taktilen Zugang zur Welt Sprache häufig erst nachgelagert (also im Anschluss an das Erleben) angeboten und verarbeitet werden kann

 

3.2 Auswahl und Strukturierung von Lerninhalten: Drei Prinzipien helfen bei der Planung:

(a) Lebensbedeutsamkeit:

  • Lerninhalte sollen auf die Lebenswelt, Interessen und Bedürfnisse der Schüler*innen Bezug nehmen
  • Sie sollen Orientierung, Selbstständigkeit und emotionale Teilhabe ermöglichen

(b) Elementares und Exemplarisches:

  • Inhalte müssen grundlegend und übertragbar sein
  • Einzelfälle (z. B. ein bestimmtes Thema) werden so gewählt, dass sie allgemeine Einsichten ermöglichen

(c) Elementarisierung:

  • Inhalte müssen reduziert, aber sachlich korrekt und bedeutsam vermittelt werden
  • Unterschiedliche Darstellungsformen (ikonisch, handelnd, taktil) unterstützen das Verständnis

Abbildung 2: Spezifika in der Bildung von SuS mit TB/HS (Quelle: eigene Darstellung)

 

 

4. Bildung als Recht und Ziel

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Dies bedeutet nicht, alles lernen zu müssen, sondern Zugang zu allem Wichtigen zu erhalten. Eine inklusive Didaktik soll auch komplexe gesellschaftliche Themen (z. B. Umwelt, Gerechtigkeit) für alle Kinder verständlich machen – durch entwicklungsorientierte Zugänge.

 

 

5. Fazit: Was brauchen Lehrkräfte?

  • die Bewusstheit, einen Schüler oder eine Schülerin mit TB/HS in der Klasse haben zu können oder zu haben
  • Kenntnisse über Wahrnehmungs- und Kommunikationswege von Schüler*innen mit TB/HS
  • Zeit, um individuelle Explorations- und Lernprozesse zu begleiten
  • Offenheit, eigene Vorstellungen zu hinterfragen
  • Reflexionsbereitschaft und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit sonderpädagogischen Diensten

 

 

Weitere Informationen und fachdidaktische Reflexionen finden Sie im Herausgeberwerk:

Wanka A & Schork B (2025) „Wie kannst Du das am besten lernen?“ Bildungsprozesse von Schüler*innen mit Taubblindheit / Hörsehbehinderung – eine fachdidaktische Annäherung. Edition Bentheim.

 

 

Autorin: Wanka A (2025)